Thomas Zimmermann im Interview mit der AssCompact | 01/2024

Die GGW Group gliedert sich in einen Makler- und einen Assekuradeurstrang. Letzterer wird unter dem Namen WECOYA in einer eigenen Einheit und seit Januar 2024 in Form einer Einmarkenstrategie geführt. WECOYA strebt weitere Zukäufe im In- und Ausland an, will aber als Assekuradeur vor allem auch organisch wachsen.

Herr Zimmermann, die GGW Group ist als Maklerkonsolidierer am Markt bekannt. Wie gliedert sich die WECOYA ein?

Wir sind seit rund vier Jahren als Gruppe stark unterwegs. In der Tat konnten wir von Beginn an die besten Unternehmen für unsere Gruppe gewinnen. Auch aufgrund des dynamischen Wachstums haben wir uns entschieden, das Unternehmen zu gliedern, indem wir das Maklergeschäft klarer von der Assekuradeurs­tätigkeit abgrenzen.

Deshalb wurden vor anderthalb Jahren Zwischenholdings implementiert. Das sind für die Assekuradeurseite die WECOYA UNDERWRITING GmbH und für die Maklerseite die LEADING BROKERS UNITED GmbH. Wir haben mit diesen Zwischenholdings teilweise schon Unternehmen gekauft; die vollständige Umsetzung der Struktur erfolgte zum 01.01.2024. Jeder Bereich wird eigenständig und mit unterschiedlicher operativer Verantwortung arbeiten.

Gibt es Steuerungseffekte vonseiten der GGW Group?

Es gibt immer einen Steuerungseffekt. Die Strategie der Unternehmensgruppe wird weiterhin maßgeblich aus der GGW Group bestimmt. Dort werden auch in immer stärkerem Maße die Bereiche Finanzen und Legal integriert. Aber wenn wir neben den operativen Bereichen über Funktionen wie zum Beispiel Personal oder IT sprechen, so sollen diese in den Zwischenholdings angesiedelt werden.

Ich möchte, dass wir in fünf Jahren der beste und größte Assekuradeur in Europa sind

Welche Rolle spielt dies für die bereits gekauften Unternehmen bzw. Unternehmer?

Das war anfangs sicherlich auch ein emotionales Thema. Aber Unternehmer und Unternehmen entscheiden sich bewusst für uns, weil sie neben der maximal möglichen Autonomie ihrer Unternehmen die Synergien der Gemeinschaft nutzen wollen. Da wir mit der neuen Struktur diese Vorteile verstärken, finden die Unternehmer dies auch sinnvoll.

Den Namen LEADING BROKERS UNITED kann man nachvollziehen, wie kam es aber zu dem Namen WECOYA?

Das war eine kreative Inhouse-Entwicklung. Auch weil wir sehr viel Geschäft mit Maklern außerhalb der Gruppe machen und weiterhin machen wollen, wollten wir uns mit unserer Eigenmarke abgrenzen. Wir brauchten also einen Namen, der eingängig ist und gut funktioniert. Dass am Ende auch noch ein Claim dabei herauskommt, war ein absoluter Glücksfall. „WE COver Your Assets“, das beschreibt perfekt das, was wir als Assekuradeure machen.

Warum sind Assekuradeure so interessant?

Generell waren und sind Assekuradeure ein Geschäftsmodell, das es unter anderem ermöglicht, Synergien zu nutzen und somit die Profitabilität für alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette zu steigern. Also ist die Frage: Warum sind Assekuradeure gerade jetzt so interessant? Wir erleben, dass sich Versicherer in vielerlei Hinsicht nicht in der Geschwindigkeit entwickeln, wie Makler es sich wünschen, dabei werden die Kundenanforderungen an die Makler immer individueller und spezieller. Versicherer kämpfen hier auch mit dem Fachkräftemangel, der Profitabilität des Geschäftes und der Digitalisierung. Ein mittelständischer Makler bewegt sich in seinem Kundenfokus oft schneller als ein Versicherer und hat dabei sehr diversifizierte Anforderungen. Das wird umso komplexer, je mehr Versicherer durch einen Makler angesprochen sind.

Makler wenden sich also aus verschiedenen Gründen an Assekuradeure: wegen ihrer Spezialisierung und hohen fachlichen Expertise, der Individualisierung, was Produkte und Prozesse betrifft, und wegen eines hohen Maßes an Digitalisierung, auch und gerade in der Verarbeitung größerer Stückzahlen in einer für ihre Kunden angemessenen zeitlichen und inhaltlichen Qualität.

„Makler wenden sich aus verschiedenen Gründen an Assekuradeure: wegen ihrer Spezialisierung und hohen fachlichen Expertise, der Individualisierung [...] und wegen eines hohen Maßes an Digitalisierung [...].“

Wenn Versicherer ihre Arbeit richtig gut machen würden, bräuchte man also keine Assekuradeure?

Sie benötigen die Versicherer ja dennoch.

Versicherer tun sich immer schwerer mit individualisierten Prozessen. Aus meiner Sicht bedarf es hier eines Mittlers zwischen den Welten. Es braucht jemanden dazwischen, der diese Prozesse einheitlich abbilden bzw. in beide Richtungen vernünftig „über­setzen“ kann. Außerdem haben Versicherer mittlerweile ein gesteigertes Interesse, Teile ihrer Werkbank auf Dritte zu verlagern. Sie werden immer mehr zu reinen Risikoträgern und wollen Portfolios gerne „schrankfähig“ gezeichnet erhalten.Zudem sind Assekuradeure natürlich ein gutes Vertriebstool für einen Versicherer. Die Möglichkeit für einen Risikoträger, über einen Assekuradeur eine Vielzahl von Maklern indirekt anzusprechen, ist attraktiv.

Allerdings müssen Sie auch erst noch die Prozesse und Infrastruktur der zugekauften Unternehmen vereinen. Oder können Sie da viel übernehmen?

Sowohl als auch. Wenn Sie einen Assekuradeur in verschiedenen Lines abbilden, dann bleibt zum Beispiel ein Schaden trotzdem immer noch ein Schaden, sodass wir natürlich ein einheitliches Schadentool abbilden möchten. Der technische Prozess, der dahinter liegt, ist der gleiche und unterscheidet sich spartenspezifisch in Inhalt, Tiefe und Anzahl der Prozessschritte. Insofern werden wir auch auf einheitliche Systeme setzen. Es ist keine Frage, dass es eine Übergangsphase gibt, aber wir entwickeln bereits seit über einem Jahr ein Microsoft-basiertes Schadentool. Das heißt, wir werden Schadenfälle schon ab Mitte 2024 in allen Lines der WECOYA auf einer technischen Plattform bearbeiten, die auch die entsprechenden Schnittstellen und Portale bietet – s­o­wohl zu Versicherern als auch zu den Maklern und auf Wunsch zu deren Kunden.Auf der Betriebsseite wird es eine Übergangszeit geben. Wir hatten eine Vielzahl an Programmen, reduzieren diese in diesem Jahr auf vier und werden uns in einem zweiten Schritt auf eines konzentrieren.

Mit den Lines sprechen Sie an, dass WECOYA in sechs Tochtergesellschaften unterteilt ist. An den Gesellschaften hängen unterschiedlich viele Unternehmen. Uns scheint immer noch ein Schwerpunkt „Transport“ zu sein.

Ja, Transport ist ein wesentlicher Markt. Und tatsächlich ist Marine im Moment auch bei uns der größte Bereich. Die WECOYA MARINE, wie sie seit 01.01.2024 heißt, umfasst NHA, BDJ Assekuradeur, Mund & Fester, HVA Homann, Wolfes & von Etzdorf und W. DROEGE. Diese werden in diesem Jahr rückwirkend auf die WECOYA MARINE Underwriting GmbH verschmolzen. Die Einzelmarken werden aufgegeben und wir werden als WECOYA MARINE im Markt in Erscheinung treten.

WECOYA SPECIALTY ist eine Besonderheit. Obwohl wir eine Einmarkenstrategie verfolgen, fallen unter die SPECIALTY Einheiten, bei denen es sinnvoll ist, Marken als Geschäftsfeld, aber nicht als Legal Entity weiterzuführen. Hier sind zum Beispiel die Deutsche Filmversicherungs-Gemeinschaft (DFG) oder auch der Yachtversicherer FIRMENICH zu finden.

Darüber hinaus gibt es Geschäftsbereiche wie den der WECOYA MOBILITY. Hier wollen wir unser Kfz-Geschäft im gewerblichen, aber auch im Privatbereich mit einem kostensparenden Schadenmanagement und einer technischen Abwicklung mit weitestgehend automatisierten Prozessen zusammenführen.

Das geht tatsächlich bis ins Privatgeschäft?

Ja, das ist das Ziel. Das Privatgeschäft ist generell auch ein spannender Markt für uns. Und Kfz im Speziellen ist eine Frequenzsparte, in der man in erheblichem Maße auch über schnelle und funktionierende Prozesse Profitabilität für alle Beteiligten erreichen kann. Davon profitieren auch unsere Kunden, also die Makler.

Wie viele Assekuradeure haben Sie dann insgesamt gekauft?

Das sind aktuell 13 Assekuradeure. Die neben W. DROEGE schon genannten fünf bei WECOYA MARINE, O bei WECOYA SPECIALTY sind es FIRMENICH, northport und die Marken DFG und DSE. Dazu kommen Hermann Ahrens, Bavaria GSS und SAVE bei WECOYA CLAIMS SERVICES, balticfinance in Dänemark und die Aktiv TK Sigorta in der Türkei.

Warum ist Ihnen die Einmarkenstrategie mit den genannten wenigen Ausnahmen so wichtig?

Die Geschäftspartner der WECOYA sind Makler und Versicherer. Es ist für uns wichtig, diese Zielgruppen optimal und fokussiert ansprechen zu können. Zudem möchten wir nach innen und außen klar vermitteln, wofür wir stehen und was wir tun. Und da ist eine starke einheitliche und wiedererkennbare Marke elementar.Wie viele Firmenkäufe streben Sie an?

Wir wollen immer das machen, was Versicherer nicht mehr können und Makler nicht mehr dürfen. Wir wollen da hinein, wo sich lohnende Geschäftsfelder finden lassen. Aber eins ist klar: Wir wollen anorganisch und organisch wachsen. Als Assekuradeur bewegt man sich in einem „Drittmarkt“ ohne direkten Kontakt zum Endkunden – umso sinnvoller ist es, auch auf organisches Wachstum mit verschiedenen Maklern zu setzen. Nichtsdestotrotz: In den skandinavischen Ländern haben wir jetzt exzellenten Zuwachs mit balticfinance, und den wollen wir auch von dort aus weiter aufbauen. Wir haben die WECOYA CEE in Wien, von wo aus wir über Osteuropa bis in die Türkei aktiv sind. Wir haben also Interesse, uns europaweit und auch darüber hinaus auszuweiten. Idealerweise schaffen wir es in der nächsten Zeit, auf der iberischen Halbinsel lokal Fuß zu fassen.

„Versicherer tun sich immer schwerer mit individualisierten Prozessen. [...] Es braucht jemanden dazwischen, der diese Prozesse einheitlich abbilden bzw. in beide Richtungen vernünftig ‚übersetzen‘ kann.“

Wie verbindlich müssen die Makler der LEADING BROKERS UNITED mit WECOYA zusammenarbeiten?

Wir haben heute auf der Assekuradeurseite einen Geschäftsanteil von 70 bis 75% externes Geschäft, das heißt mit Maklern, die nicht zur Gruppe gehören. Dieses Geschäft steht auch weiterhin im Fokus.

Dazu kommt der dynamisch wachsende Markt der Makler der LEADING BROKERS UNITED, der für uns ungemein spannend und attraktiv ist. Natürlich wollen wir Business mit­einander machen: Synergien im eigenen Hause dort zu nutzen, wo es sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Wir wollen Produkte und Prozesse entwickeln, die unsere Makler und Versicherer attraktiv finden, aber es gibt keinerlei Zwang.

Erhalten Sie weitestgehend die Standorte?

Es ist nicht geplant, die Standorte aufzulösen. Im Moment haben wir aber einen relativ großen Schwerpunkt in Hamburg. Hier fünf Standorte zu erhalten, ist auf Dauer für ein stärker verzahntes Miteinander nicht sinnvoll. Deshalb planen wir, in absehbarer Zeit einen gemeinsamen neuen Standort in Hamburg zu schaffen.

Gibt es in Deutschland noch für Sie attraktive Assekuradeure?

Mir fallen spontan schon ein paar ein, die ich sehr attraktiv finde. Aber natürlich muss es für alle Beteiligten passen. Dann wären durchaus auch weitere Lines denkbar.

Haben die anderen Makleraufkäufer ähnliches Interesse an Assekuradeuren?

Ich glaube, dass dieses Geschäftsmodell in Zukunft für viele Marktteilnehmer interessant wird. Assekuradeure erleben eine Renaissance, aber sie müssen Erfahrung in diesem Geschäftsfeld haben, um das Vertrauen der Versicherer und Makler zu gewinnen.

Fürchten sich die Versicherer nicht vor noch mehr Marktmacht auf Makler- und Assekuradeurseite?

Wenn wir ein wesentlicher Teil der ausgelagerten Werkbank des Versicherers sein wollen, müssen wir ihm gegenüber sehr transparent sein. Wir müssen bereit sein, Prozesse und Daten jederzeit in Echtzeit offenzulegen und das Geschäft für die Risikoträger profitabler zu machen. Denn es fehlen auch dort Fachkräfte, Flexibilität und Ressourcen. Und letztlich verlieren die Versicherer kein Geschäft; im Idealfall kommt es nur auf eine bessere Art zu ihnen. Von Furcht der Versicherer kann aus meiner Sicht also keine Rede sein.

Nun, das Problem, Fachkräfte zu finden, werden Sie als Assekuradeur auch haben und in Hamburg konkurrieren Sie mit großen Unternehmen.

Der Wettbewerb ist groß, alles andere wäre gelogen. Aber wir leben davon, dass wir besser sind oder mindestens genauso gut wie ein Risikoträger. Und dafür brauchen wir Fachkräfte. Wir befassen uns beispielsweise damit, Menschen länger zu beschäftigen. Wir haben überhaupt keine Hemmungen, ältere Personen einzustellen. Für uns spielt Erfahrung eine große Rolle.Aber natürlich wollen wir auch für junge Leute attraktiv sein. Auch deshalb brechen wir ein bisschen mit der Vergangenheit, bringen eine neue Firma mit neuem Namen und neuer Identität an den Markt und eröffnen die Möglichkeit, von Anfang an etwas Neues mitzugestalten.

Wir müssen Wege finden, mehr Menschen für uns zu gewinnen, auch wenn sie vielleicht noch nicht so weit sind. Deshalb müssen wir zeitgemäße Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten schaffen. Und wir müssen uns daran gewöhnen, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch einmal nur für ein paar Jahre bei uns sind und uns in dieser Zeit voranbringen. Vielleicht gehen sie dann einen nächsten Schritt an anderer Stelle, kommen aber später zurück.

Was beinhalten denn gute Bedingungen? Mehr Gehalt? Vier-Tage-Woche? Home-Office?

Ein im Durchschnitt gesehen hohes Gehaltsniveau haben wir schon. In der Abwerbung von Menschen und in Gehältern haben wir uns in der Assekuranz in den vergangenen Jahren selbst überboten. Aber es kommen nicht mehr genügend qualifizierte Personen nach, egal wie hoch die Gehälter sind. Ich muss also meine Prozesse so umstellen, dass ich in Zukunft mit der gleichen Anzahl von Menschen produktiver sein kann – das heißt, insbesondere nicht oder wenig wertschöpfende Tätigkeiten in Zukunft weitestgehend automatisiert abzubilden. Dann können wir auch weiter und gerne attraktive Gehälter bezahlen, gute Rahmenbedingungen schaffen und alle Ideen auf den Prüfstand stellen: auch eine 4-Tage-Woche.Mobiles Arbeiten hingegen halte ich für unabdingbar – die Menschen können heute in unserer Branche von überall aus arbeiten. Wir prüfen gerade, wie sie teilweise auch aus dem Ausland arbeiten können, was ja steuerrechtlich nicht so einfach ist.

Welche Bereiche sind denn besonders gesucht? IT-Leute?

Fachlich topqualifizierte Menschen benötigen wir in allen Bereichen. Wir müssen Wege finden, junge Menschen im Rahmen von Aus- und Weiterbildung jeglicher Art bis hin zum Studium für uns und für das, was wir tun, zu begeistern. Und da spielt eben Größe auch wieder eine Rolle. Wir haben jetzt eine Größe, mit der wir uns diese Ausbildungsformen in entsprechender Qualität und Quantität erlauben können, und zwar mit den Inhalten, die wir brauchen.

„Wir müssen Wege finden, junge Menschen im Rahmen von Aus- und Weiterbildung jeglicher Art bis hin zum Studium für uns und für das, was wir tun, zu begeistern.“

IT ist für uns ein großes Thema. Aber wir sind kein Unternehmen, das IT eigenständig entwickelt. Das ist nicht unser Ziel.Dann wäre da noch die Frage nach den Investoren der GGW Group.Die GGW Group und damit auch LEADING BROKERS UNITED und WECOYA UNDERWRITING werden an ihrem Erfolgsmodell festhalten. Wir stehen hier erst am Anfang unserer Reise. Wir haben in den nächsten Jahren noch sehr viel vor, und es gibt viele Unternehmen, die sich uns anschließen und mitwirken wollen. Was das Assekuradeurmodell betrifft, haben wir gerade erst begonnen, etwas Neues und Einzigartiges aufzubauen, um den Markt maßgeblich zu verändern. Für mich ist das im Moment die spannendste und dynamischste Story in der Assekuranz.Zusammengefasst – wo will WECOYA in den nächsten fünf Jahren stehen?

Ich wünsche mir, dass wir im Laufe der nächsten fünf Jahre unsere Ziele umsetzen, dass wir eine äußerst attraktive Arbeitgebermarke sind, dass wir ein Höchstmaß an Digitalisierung erreichen, dass wir einen maximalen Kundenfokus und eine exzellente Fachkompetenz haben und damit auch eine hohe Profitabilität abbilden. Wir arbeiten darauf hin, in fünf Jahren der beste und größte Assekuradeur in Europa zu sein.

Quelle: epaper ASSCompact | 01/2024
https://epaper.asscompact.de/de/profiles/53e4066999da-asscompact/editions/01-2024/pages/page/40

Foto: Tobias Göbbels, https://www.tobiasgoebbels.com/